ARCHIV
Golf in Tschechien:
Der Golfplatz
erregt das Entzücken aller...
Text und Fotos von Roland Hanewald
Es
ist schon kurios: Auf Verlangen erhält man von der hiesigen (recht
unbeweglichen) Tourismuszentrale die Broschüre „Golfplätze in der
tschechischen Republik“ übersandt, in der zwölf Anlagen aufgelistet
sind, davon nur vier mit 18 Löchern. Das Dokument ist leider völlig
veraltet. In Wahrheit sind im jüngsten Jahrbuch der „Ceské golfové
federace“ nicht weniger als 82 Plätze verzeichnet, darunter eine
ganze Anzahl mit 18 und sogar 27 und 36 Löchern (die Mehrheit
allerdings in der Tat mit neun, einer sogar mit, nanu, drei). Da
fällt die Wahl schwer.
Leicht fällt es andererseits, sich für den traditionsreichsten Club
zu entscheiden. Oder etwa doch nicht? Da heißt es über Marienbad:
„Dieser älteste Golfplatz auf tschechischem Boden wurde am 21.8.1905
vom englischen König Edward VII. feierlich eröffnet.“
Klingt einladend. Das unweit davon gelegene Karlsbad hält aber
dagegen: „Der Klub wurde 1904 gegründet – er ist der älteste
Golfklub bei uns...“ Was soll man davon machen? Kopf oder Zahl. Die
Entscheidung fiel auf Marienbad, Marianske Lazne auf Tschechisch.
Eine gute Wahl, wenn man auf der Range mal etwas anderes hören
möchte als Russisch.
Als
es anno 1905 so weit war – Edward weilte just zu Heilzwecken in
Marienbad -, überschlug sich die Presse vor Begeisterung. „Der
Golfplatz oberhalb der Stiftseiche erregt das Entzücken aller“, hieß
es bei der Eröffnung.
Aus
jener imperialen Zeit blieb sogar noch ein Schmankerl erhalten: Als
einziger Club außerhalb Großbritanniens darf Marienbad den Titel
„Royal“ im Wappen führen.
Nun, jedenfalls auf Englisch, auch anderswo gibt es ja Könige. Das
Etikett ist dennoch keine kleine Ehre, und das Publikum des „Royal
Golf Club Marianske Lazne“ gehört deshalb auch überwiegend den
gehobenen Schichten an, die in Tschechien seit der Wende ein
Comeback gemacht haben.
Natürlich sind wegen der grenznahen Lage auch jede Menge Deutsche
vertreten.
Deutsch
wird aus diesem Grund, wie überhaupt in ganz Marienbad, im gesamten
Einzugsgebiet des Clubs fließend parliert.
Die Eigentümlichkeit dieses Platzes ist übrigens, im Besitz der
(2 km entfernten) Stadt zu sein; der Club pachtet das Gelände
lediglich.
Ungewöhnlich ist ebenfalls das Clubhaus: (Bild links). Es wurde
unter Beibehaltung der Original-Bauteile aus der Zeit des
Romantismus rekonstruiert und passt dieserart vorzüglich zum
Marienbader Ambiente.
Versteht sich, dass auch das assoziierte Restaurant Menüs vom
Feinsten reicht; ganz Tschechien ist ja für seine exzellente Küche
bekannt.
Das Golfgelände, weitgehend flach, sticht vor allem durch prächtigen
alten Baumbestand hervor; mitunter verschwinden die Spieler im
tiefen Tann.
Auf den penibel manikürten Greens (6135 m, Par 72) wurde schon
manches hochkarätige Turnier ausgetragen – nun, das ist man dem
Namen schuldig.
Ein Platz mit Tradition, Prestige und Chic, royal eben.
Das Greenfee beginnt bei 1300 CZK (ca. 40 Euro).
Kontakt: Tel. 00420-354-624300, E-Mail
office@golfml.cz.
Naturbelassenheit ist ein ganz großes Plus dieses Platzes
...
... ein reicher Baumbestand trägt zum Reiz erheblich bei. |
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An
manchen Wochenenden ist nimmt der Betrieb sichtbar zu. |
Schon
Goethe liebte diese Stätte
Als
man die sterblichen Überreste des Johannn Wolfgang von Goethe 1970
in Weimar exhumierte, stellte man fest, dass der große Dichterfürst
unter schweren Bandscheibenschäden und Knochenverwachsungen gelitten
hatte.
Das dürfte erklären, weshalb er ab seinem 40. Lebensjahr steif und
lahm einhergeschritten war und sich kaum bücken konnte.
Remedur von seinen Gebresten erhoffte er sich durch die wohltätigen
Wasser Marienbads, wo er, einer Nachricht an seinen Sohn August
zufolge, „viel Erfreuliches sah“.
Dazu gehörte zweifellos die 17-jährige Ulrike von Levetzow, der sich
der über 70-jährige Veteran mit erotischen Ambitionen näherte –
Marienbads Heilquellen müssen also schon eine gewisse zuträgliche
Wirkung gehabt haben. Und die im benachbarten Franzensbad vielleicht
noch mehr, denn dort trat der deutsche Lustgreis gleich 33-mal in
Erscheinung.
Die forsche Ulrike ließ den Alten jedoch abblitzen. Das hinderte die
Marienbader aber nicht, dem ungleichen Paar ein Denkmal zu widmen
(Bild rechts in einer Plastik mit Goethe).
Und
dem verschmähten Goethe gleich ein weiteres – „Da sitzt er nun, der
arme Tor, und ist so klug als wie zuvor...“
(Bild links)
Goethe
besuchte Marienbad mehrere Male zwischen 1820 und 1823. Dies war
auch die Hoch-Zeit des 1783 gegründeten Badeorts, während und nach
der ein großer Teil der schönen Baulichkeiten entstand, die
Marienbald alsbald in ganz Europa (und sogar in Übersee) populär
machten und den Adel der Alten Welt geradezu magnetisch auf sich
zogen.
Die berühmten Kurkolonnaden (Bild rechts) waren ein vielbesuchter
Schauplatz für Konzerte und Bälle und nach ihrer Wiederherstellung
im Originalstil im Jahre 1981 heute weiterhin Marienbads zentraler
Anlaufpunkt. Dort flanieren jetzt die Kurgäste, delektieren sich an
den stark kohlesäurehaltigen Quellen des Ortes und halten insgeheim
Ausschau nach einem Kurschatten - Goethes Erbe ist in Marienbad
erhalten geblieben.
Nicht
weniger als 22 Hotels mit drei oder vier Sternen stehen zur Aufnahme
der Gäste bereit, und sie verfügen alle über Einrichtungen und
Personal für Kuranwendungen. Sie alle, und diverse Villen aus der
Gründerzeit, die heute als Pensionen fungieren und ebenfalls eine
kuschelige bis „hochherrschaftliche“ Atmosphäre aufweisen, sind
veritable Kulturdenkmäler, mit behutsam renovierten Fassaden und
modernisierten Interieurs, aber immer noch mit einem Ambiente, als
könnten Johann Wolfgang und Ulrike jederzeit in Erscheinung treten.
Schon
das trägt zu dem Wohlgefühl bei, das Marienbad zu vermitteln
bestrebt ist. (Hilfreich ist natürlich auch, dass Deutsch die Lingua
franca ist; jedermann und –frau im Kurbetrieb spricht es fließend).
„Das schönste Fleckchen Erde!“, pries Mark Twain den Ort 1892 in
einer Londoner Zeitung. Nach dem sozialistischen Zwischenspiel der
Tschechoslowakei, welches das schöne Fleckchen lange mit einer
grauen Tünche überzog, hat das Urteil des berühmten Amerikaners
wieder vollen Bestand.
Kontakt:
Die deutsche Vertretung für Marienbad ist
Cup Vital Bremen, Marcusallee 7a, 28359 Bremen,
Tel. 0421-203600, Fax 2036050, info@cup.de,
www.cupvital.de.
Deutsche und Tschechen
Wie
begegnen uns unsere östlichen Nachbarn eigentlich, mag sich mancher
Bundesbürger vor einer Reise nach Tschechien sorgenvoll fragen.
Sind sie nicht nach wie vor voller Ressentiments, Hass gar, auf uns
Deutsche?
Nun, Grund dazu hatten sie lange genug, die Tschechen, denn die
Deutschen haben ihnen übel mitgespielt. Zwar waren beide Völker
jahrhundertelang blendend miteinander ausgekommen, die Grenzen
weitgehend verschmolzen.
1085 wurde Böhmen Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher
Nation; 1348 sah Prag die Gründung der ersten deutschen Universität.
Aber seit 1938 über ihre Köpfe hinweg die Abtretung des Sudetenlands
an das Deutsche Reich beschlossen wurde, ein Jahr später Hitler ihre
Heimat als „Protektorat Böhmen und Mähren“ schlichtweg annektierte
und im Verlauf der nächsten sechs Jahre 360 000 Menschen ums Leben
kamen, sind die Tschechen auf die Deutschen nie wieder gut zu
sprechen gewesen. Auch die 1945 einsetzenden grausamen Vertreibungen
und Verfolgungen in umgekehrter Richtung trugen nicht zu neuen
wechselseitigen Sympathien bei. Die berüchtigten Benes-Dekrete zur
entschädigungslosen Ausweisung von 3,5 Millionen Deutschstämmigen
(und Ungarn) taten ein Übriges – und sie vergiften noch heute das
Verhältnis zwischen den neuen europäischen Brüdern. In die
Vergangenheit zurückgreifende politische Themen sollte man jenseits
der (einstigen) Grenze nicht unbedingt anschneiden, um keine
hitzigen Debatten zu entfachen, bei denen ohnehin nichts als Frust
herausschaut.
Und dennoch. Paradoxerweise findet man dort, wo sich Deutsche
und Tschechen heute am häufigsten begegnen, nämlich in den
ehemaligen Sudetengebieten (in denen auch Marienbad liegt), die
größte beidseitige Gelassenheit.
Die täglichen Kontakte haben die vormaligen Widersacher, und ganz
zuvorderst die jungen Generationen, erkennen lassen, dass beide
Völker aus Menschen wie du und ich bestehen, dass man mit einigem
Verständnis nationaler Eigenheiten bestens koexistieren kann. Wer
will noch von „Revanchismus“ sprechen, einem Fremdwort aus der Zeit
des Kalten Krieges?
Bei genauer Betrachtung erweist sich, dass Gründe, sich weiterhin
spinnefeind zu sein, immer mehr an den Haaren herbeigezogen werden
müssen. Natürlich spielt auf tschechischer Seite auch das Kalkül
eine Rolle, dass der Westnachbar zwar wieder mächtig ist, dass man
sich diese Macht in Gestalt finanzieller Teilhabe aber zunutze
machen kann.
Für deutsche Firmen auf tschechischem Boden zu arbeiten, mit
deutschen Touristen Handel und Wandel zu treiben, kranke Deutsche
als Patienten zu behandeln, zu diesem Zweck auch die Sprache des
einstigen Feindes zu erlernen – das alles ficht vor allem junge
Tschechen nicht in Geringsten an, denn sie haben nur Vorteile davon.
Sie sind, und das ist ja der Sinn der Sache, Europäer geworden, und
diejenigen, die sie aus dem „Westen“ besuchen, sind es auch.
Die Kraftakte, mit denen sich beide messen können, sind heute
friedlicher Natur. Im Biertrinken zum Beispiel. Da liegen die
Tschechen mit 158 Litern pro Jahr und Kopf an erster Stelle in
Europa, immerhin mehrere Glas vor den Deutschen (und den Iren). Aber
das kann man auf einer Reise nach dort ja mal auf die Probe stellen.
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