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Ungarngolf
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Löcher im Knie
Text und
Fotos von Roland Hanewald
Wo golft
man am besten im Land der Magyaren? Mein Blick blieb in der
offiziellen Auflistung der ungarischen Golfplätze magisch
angezogen an einem Parcours namens Kisoroszi (gesprochen „Kischorossi“)
haften, ältester des Landes und in der amtlichen Broschüre
hochgelobt. Fürwahr. Könnte man sich etwas Idyllischeres
vorstellen? Auf der langgestreckten Insel Szentendre in der
Donau gelegen, und zwar dort, wo der große Fluss bei der
Provinzstadt Vac (siehe nachstehend) in sein berühmtes
„Knie“, d. h. eine Biegung von 90 Grad übergeht, mit
bergigen, dicht bewaldeten Ufern und einer Überbrückung mit
dem polynesischen Namen Tahitotfalu sowie einer Fähre nach
Vac... ach, es ist die wahre Pracht.
Der
Kisoroszi GC liegt in der Tat inmitten einer solch
herrlichen rustikalen Kulisse, dass sich verschiedene große
Namen der internationalen Golfszene, in verschwiegenes
Auwaldgrün getaucht, in seinem Umfeld angesiedelt haben. Nur
– die 18 Löcher sind schon seit mehreren Jahren nicht mehr
in Betrieb. Es gibt heftige Unstimmigkeiten unter den
Anteilseignern, heißt es, die vielleicht bald bereinigt sein
sollen, vielleicht aber auch nicht, und ich möchte mich in
Geduld fassen, nagyon köszönöm, vielen Dank und schönen Tag
noch.
Dies ist nicht untypisch für Ungarn, wo hausgemachte
Wirtschaftsprobleme einigen Sand in das Getriebe des
einstigen EU-Musterkandidaten gestreut haben.
In Göd, auf dem rechten Schenkel des Donauknies etwa mittig
zwischen Vac und Budapest gelegen, erwies sich indes alles
wieder im Lot befindlich.
Auch das fünfsternige Golf-Hotel in der Peripherie des Polus
Palace Golfclubs war in Betrieb, und die schön angelegten 18
Löcher sowieso. Wurde auch Zeit, denn man hatte ewig lange
daran herumgewerkelt. Besonders beliebt ist dieser Platz
wegen seiner schnellen Erreichbarkeit (20 Autominuten) von
der Hauptstadt; er liegt von allen ungarischen Plätzen
Budapest am nächsten.
Man
wird deshalb ständig Geschäftsleuten und Botschaftspersonal
von dort begegnen.
Bei meinem Besuch tummelten sich gerade Mitglieder der
südkoreanischen Gesandtschaft auf den Greens und hatten, es
sind halt, anders als der Bösewicht in den USA, freundliche
und höfliche Diplomaten, den größten Spaß daran,
fotografiert zu werden.
Zu weiterer Attraktivität des Polus Palace trägt seine
naturnahe Gestaltung mit rarer Vegetation bei.
Der ganze Platz mit naturgeschützten Biotopen,
schilfumsäumten Teichen und solitären Baumgruppen hat
parkartigen Charakter und weist streckenweise eine fast
mediterrane Atmosphäre auf.
Die
Driving Range („flooded-lighted“!) kontrastiert allerdings
diametral mit diesem Ambiente, denn man schlägt gegen ein
dichtes Gewirr von Leitungen einer unweit gelegenen
Umspannstation ab.
Nun, mal was anderes.
Unter
der Woche kann es angenehm einsam auf dem Polus zugehen,
doch an Sams- und Sonntagen belebt er sich in unübersehbarem
Maße. So sehr, dass das weitaus zu klein konzipierte
Clubhaus schon überquillt. Aber gottlob ist auf der
naturnahen Range (6209 m, Par 72) genügend Platz.
Greenfee:
ab 10 000 HUF (ca. 40 Euro).
Info:
Tel. 0036-27-332864,
E-Mail
golf@hu.inter.net.
Deutsch und Englisch werden nicht viel gesprochen, aber die
Kommunikation klappt dennoch, weil sich immer ein Kundiger
findet, der dolmetschen kann. Man sollte aber auch den
Kisoroszi im Auge behalten. Wenn er wieder in Betrieb ist,
dürfte er genussreiche Stunden bereiten.
Ruhige
Tage am großen Fluss
Wer
am Knie der Donau golft, sei es in Göd oder eines Tages auf
der Insel Szentendre, der ist mit einem Aufenthalt im
rechtsseitig gelegenen Städtchen Vac („Watz“) gut bedient.
Natürlich kann man auch in der unfernen Millionenstadt
Budapest logieren, die mit vielerlei Attraktionen lockt.
Doch
wem der Sinn nach Entspannung steht, ist in Vac besser
aufgehoben. Die Stadt Göd selbst hat wenig Berauschendes zu
bieten und weist wegen ihrer Nähe zu Budapest schon
Vorortcharakter auf – dorthin fährt man zum Golfen und zu
sonst nichts.
Das „Donauknie“, Dunakanyar auf Ungarisch, ist dem mittleren
Rheintal nicht unähnlich und gilt als schönster Teil des
Donaugrabens in ganz Ungarn.
Genau in der Kurve liegt Vac und setzt all dieser
Großartigkeit mit zahlreichen reizvollen Baulichkeiten noch
eins drauf. Schon die Römer ließen sich hier häuslich
nieder, und im 9. Jh. wurde das Gebiet sogar Königssitz.
„Eine
königliche Region!“, pries demgemäß ein englischer Reisender
im 19. Jh. die Gegend am Knie, und man wird ihm heute Recht
zu geben versucht sein: Sie ist, im Wortsinn, so richtig
eine Ecke zum Wohlfühlen. Kein Wunder auch, dass sich im
Lauf der Jahrhunderte hier viele Deutsche ansiedelten (und
anno 1686 ihren Gastgebern beim Rausschmiss der Türken aus
der damaligen „EU“ halfen).
Man
wird sich Vacs viele sehenswerte Barockdenkmäler und Kirchen
nicht entgehen lassen, zumal sie alle auf den Ortskern
konzentriert sind. Kein Vorbeisehen aber auch an Ungarns
größtem Zuchthaus am Donauufer. Wie müssen die armen Knackis
leiden, ständig diese prächtige Umgebung vor Augen zu haben,
aber ihr nicht teilhaftig werden zu können! Der Besucher
bummelt dagegen gemächlich am Fluss entlang, der, auf lange
Entfernungen von kiesigen Stränden und Auwäldern gesäumt,
unbeeilt in Richtung Schwarzmeer dahin zieht.
Kleine
Lokale warten längs der Route mit Ungarns bekannt guten
Gerichten auf, die keineswegs immer höllisch scharf sein
müssen und, einschließlich des vorzüglichen Weins, nicht die
Welt kosten.
Hübsch
auch die Dörfer auf der prospektiven Golfinsel Szentendre,
deren südliches Schwanzende bis an die Hauptstadt
heranreicht und die von Vac per Autofähre zu erreichen ist.
(Der Hochwassersommer 2002 führte auf der Insel zu diversen
Problemchen, selbst der Golfplatz erlitt einige Blessuren).
Am jenseitigen Ufer wiederum jede Menge alter Kultur:
Burgen, Kirchen, Museen. Ein Stückchen weiter dehnt sich der
Duna-Ipoly Nemzeti-Park, ein hügeliges Waldgebiet, das den
Budapestern die Wochenenden verschönt.
Hinzu gesellen sich angenehme Hotels und Gasthäuser. Alles
in allem ein einladendes Ferienziel, zumal die Stadt (z. B.
ab Wien) per Donaudampfer zu erreichen ist. Nur die
Verständigung kann sich schwierig gestalten. Annähernd
jedermann und –frau in Vac und Umgebung (überhaupt in ganz
Ungarn außerhalb der touristischen Szene, zu der natürlich,
wie oben erwähnt, auch Golfplätze gehören) spricht nur eine
Sprache: Ungarisch, eine der vertracktesten der Welt, und
erwartet vom Besucher, dass er sie gefälligst ebenfalls
spreche. Aber man sollte doch von Herzen froh sein, dass
sich der beschriebene Golfplatz in Göd befindet, und nicht
etwa in Hajdúböszörmény, Hódmezövásárhely, Kiskunfélegyháza
oder Szurdokpüspöki.
Text und Fotos
von Roland Hanewald
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